05.05.2015 Stuttgarter Zeitung „Ersthelfer sind entscheidend“
Interview mit dem neuen Geschäftsführer der DRK Rems-Murr Waiblingen - Er engagiert sich seit mehr als 25 Jahren ehrenamtlich beim DRK-Kreisverband (http://www.drk-rems-murr.de/startseite.html). Jetzt ist Sven Knödler hauptamtlich beim Roten Kreuz tätig. Der neue Geschäftsführer, den einst der Vater zum Mitmachen motivier hat, ist nun auch dessen Chef. „Wir kommen gut miteinander aus“, sagt der 37-jährige Betriebswirt. Eins seiner wichtigsten Ziele sei es, mehr Fördermitglieder und neue Freiwillige, möglichst auch Kinder und Jugendliche, für den Wohlfahrtsverband zu gewinnen. Foto: Stuttgarter Zeitung
Herr Knödler, die Vorbereitungen für den Start der bundesweit einheitlichen ärztlichen Notfallnummer 116?117 laufen. Wann wird die Leitung freigeschaltet?
Die Nummer wird am 27. Mai bei uns in der Leitstelle freigeschaltet. Wir haben die Leitstelle ertüchtigt und das Personal eingestellt. Derzeit sind wir an der Schulung unseres Personals.
Welche Verbesserungen versprechen Sie sich?
Der Anrufer kommt an einer zentralen Anlaufstelle raus, egal was er für einen Notfall hat, ob es brennt oder ob er die Treppe runter gefallen ist. Wir wählen dann für den Anrufer das richtige Mittel aus. Anrufe, die momentan noch auf der Notrufnummer eingehen, die den Rettungsdienst aber nicht betreffen, werden auf die kassenärztliche Notfallrufnummer umgeleitet.
Und falls es sich um einem echten Notfall handelt?
Wenn unser Personal das feststellt, etwa bei einem Schlaganfall, den der Betroffene gar nicht bemerkt hat, dann können wir ganz schnell reagieren. Der Anrufer bekommt die medizinisch beste Hilfe.
Wie viele Mitarbeiter werden neu eingestellt – und wer bezahlt sie?
Das DRK hat 15 Teilzeitkräfte und geringfügig Beschäftigte zusätzlich eingestellt. Wir bezahlen sie, bekommen die Kosten aber von der Kassenärztlichen Vereinigung erstattet. Die neuen Mitarbeiter sind im Normalfall von abends 18 Uhr bis morgens zu erreichen, außerdem an den Wochenenden und feiertags.
Eine große Neuerung also, gleich zu Beginn des neuen Jobs. Sind Sie denn mittlerweile voll angekommen auf dem Posten des DRK-Geschäftsführers?
Ich kenne den Kreisverband hier im Kreis von der Pike auf. Ich bin im Kreisverband seit mehr als 25 Jahren ehrenamtlich tätig, im Rettungsdienst, in der Ausbildung. Ja, ich bin angekommen. Und ich fühle mich richtig wohl.
Alle Wohlfahrtsverbände klagen darüber, dass sie auf vielen Kosten sitzen blieben, dass der Staat immer weniger Gelder springen lasse. Arbeitet der Rettungsdienst – das Kerngeschäft des DRK – denn kostendeckend? Macht das Rote Kreuz Gewinne?
Gewinne machen wir derzeit keine. Wir haben auch wegen des Neubaus der Klinik in Winnenden und der Schließung der Krankenhäuser in Backnang und in Waiblingen eine Finanzierungslücke, wir mussten weitere Fahrzeuge kaufen. Wir sind aber in guten Gesprächen mit den Krankenkassen.
Zurzeit also rote Zahlen?
Ja, bedingt rote Zahlen. Aber wir haben noch diese Woche Verhandlungsgespräche.
Wohin fließen die Spenden? Und wie viel Geld steht Ihnen im Jahr zur Verfügung?
Wir erhalten aktuell durchschnittlich 55 Euro je Mitglied im Jahr. In den Rettungsdienst fließen keinerlei Spendengelder, das ist mein wichtigstes Prinzip. Für den Rettungsdienst muss das Sozialversicherungssystem aufkommen. Das Geld unserer rund 25 000 Fördermitglieder fließt ausschließlich in die ehrenamtlichen Tätigkeitsbereiche. Die Mittel werden beispielsweise ausgegeben für die Notfallnachsorgedienste, für unsere Sanitätsdienste und für unsere sozialen Dienst.
Hatte das DRK früher mehr Fördermitglieder?
Ja. Vor 20 Jahren zum Beispiel waren es gut 34?000. Die Zahl ist stetig gesunken.
Ist es in den vergangenen Jahren schwieriger geworden, neue Spender zu gewinnen?
Der Spendenmarkt wird schwieriger, ganz klar. Unsere Spender werden immer älter. Früher, in den Nachkriegsjahren, hatten die Leute eine engere Beziehung zum DRK. Ein Hauptaufgabenfeld für mich als Geschäftsführer ist es, zu schauen, dass wir wieder mehr Fördergelder bekommen, weil das die Basis ist für unsere Arbeit. Wir brauchen Menschen, die Zeit zur Verfügung stellen, und Menschen, die Geld geben. Beide Gruppen sind wichtig.
Welche Ideen haben Sie, um mehr Menschen für das ehrenamtliche Engagement beim DRK zu gewinnen?
Die Leute haben immer weniger Zeit, auch die Kinder wegen der Ganztagsschulen. Wir müssen aber versuchen, Nachwuchs bereits in den Kindergärten und Schulen zu gewinnen. Wir wollen enge Kontakte knüpfen. Früher hieß es: wer beim DRK mitmachen will, der muss sich möglichst für immer binden. Jetzt gehen wir stärker in die projektbezogene Arbeit. Die Leute sollen sich befristet einbringen können. Das Ehrenamt muss wieder ein Mehrwert und ein Plus für die Gesellschaft und für die Arbeitgeber darstellen.
Wie könnte man potenzielle Ehrenamtliche locken?
Wer sich engagiert, der sollte dafür einen Mehrwert bekommen. Ein Arbeitgeber, der Ehrenamtliche beschäftigt, könnte bei Vergaben von öffentlichen Aufträgen bevorzugt werden. Der Staat könnte Ehrenamtliche steuerlich begünstigen.
Ein Blick in die Zukunft: gibt es Tätigkeitsfelder, die das DRK neu anpacken will?
Wir sind in vielen Bereichen aktiv. Wir halten die Augen offen, was man am Beispiel Notfallnummer sieht. Wir wollen verstärkt in die Arbeit mit Kindergärten und Schulen einsteigen. Das ist ein Zukunftsbereich. Ganz aktuell wird sicherlich die Flüchtlingsarbeit an Bedeutung zunehmen.
Wo gibt es weniger Bedarf als früher?
Ich wünsche mir mehr Nachfrage im Erste-Hilfe-Bereich. Jeder sollte wissen, wie man hilft. Die Ersthelfer sind entscheidend. Auch wenn der Notarzt, wie gefordert, nach 15 Minuten beim Unfall ist, bei einem Herzstillstand ist das zu spät. Wir brauchen gut ausgebildete Ersthelfer, die mit der Herz-Lungen-Wiederbelebung anfangen.
Wie oft sollte man denn die einst bei der Führerscheinprüfung erworbenen Kenntnisse auffrischen?
Im Idealfall alle zwei Jahre.
Oh je, ich müsste auch mal wieder kommen.
Gerne.
Sie selbst sind seit gut einem Viertel Jahrhundert beim DRK. Wie kamen sie dazu?
Es war kein Zufall, sondern ein klassischer familiärer Eintritt. Mein Vater war hauptberuflich Rettungsassistent – das ist er immer noch. Er arbeitet beim DRK in Welzheim. Ich kam als Neun- oder Zehnjähriger zum Jugend-Rotkreuz.
Sie sind also der Chef des eigenen Vaters.
Ja genau.
Klappt das?
Er findet das in Ordnung. Es gibt keinerlei Schwierigkeiten. Wir kommen gut miteinander aus.
War es immer ein Ziel für Sie einmal hauptberuflich beim DRK zu arbeiten?
Ja, der Wunsch kam dann schon mal irgendwann raus. Als diese Stelle als Geschäftsführer frei wurde, war klar: Ich bewerbe mich.
Was macht der Geschäftsführer in seiner Freizeit? Zusätzlich zum Fulltime-Job ehrenamtlich für das DRK arbeiten?
Ja, das mache ich tatsächlich immer noch, beim Ortsverein Alfdorf. Ich bin im Sanitätsdienst tätig.
Wann war der letzte Einsatz?
Vor drei Wochen. Aber meine Familie ist mir auch sehr wichtig. Und ich gehe regelmäßig Laufen und Radfahren. Ich entspanne mich beim Sport. Es gibt kaum etwas Schöneres, als die Laufschuhe anzuziehen und dann durch den Welzheimer Wald zu rennen.
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Sven Knödler
Der neue DRK-Geschäftsführer hat nach der Schule zunächst bei der AOK Sozialversicherungsfachangestellter gelernt, dann bei der Krankenkasse gearbeitet und berufsbegleitend Betriebswirtschaft studiert. Im Jahr 2009 hat der gebürtige Schorndorfer beim DRK-Landesverband in Stuttgart die Leitung der Abteilung Rettungsdienst übernommen und bis zu seinem Wechsel zum DRK-Kreisverband ausgefüllt. Knödler ist verheiratet, er hat zwei kleine Kinder und lebt in Alfdorf.
DRK
Beim Kreisverband Rems-Murr des Roten Kreuzes sind 364 hauptamtliche Mitarbeiter beschäftigt sowie rund 1500 Ehrenamtliche engagiert. Der Kreisverband mit der Zentrale in Waiblingen hat knapp 25?000 Fördermitglieder, 26 Ortsvereine, 25 Bereitschaften und 26 Jugend-Rot-Kreuz-Gruppen.