08.06.2024 Fellbacher Zeitung Dauereinsatz für die Helfer in Weiß
08.06.2024 von Chris Lederer Die Hochwasser-Katastrophe im Landkreis ist der größte Einsatz in der Geschichte des Deutschen Roten Kreuzes Rems-Murr. Mehr als 200 Helfer von DRK und Malteser Hilfsdienst waren und sind teils noch immer vor Ort – sie verarzten, verpflegen, betreuen Betroffene und Hilfskräfte.
EMS-MURR-KREIS Vollgelaufene Keller, Autos, die an Häusern vorbeischwimmen und Menschen, die nicht nur um ihr Hab und Gut, sondern um ihr Leben fürchten: Den Disponenten in der Integrierten Leitstelle wurde am Sonntagabend nach dem Starkregen schnell klar, dass die Lage in Rudersberg dramatischer war als bei früheren Hochwasserlagen. „Es gingen massenweise Notrufe ein, Leute haben um Hilfe geschrien, sodass wir uns entschieden haben, dass es nur noch darum geht, Leib und Leben zu retten und Sachschäden hinten anzustellen“, schildert Sven Knödler, DRK-Kreisgeschäftsführer und Krisenmanager, die Situation.
Nach Rücksprache mit anderen Vertretern der Blaulichtfamilie habe man am späten Abend entschieden, die Verwaltungs- und Führungsstäbe im Landratsamt einzurichten. Parallel dazu wurden die Rettungswachen und Bereitschaften alarmiert, um möglichst viele Einsatzkräfte auf die Straßen zu bekommen. Auch Landrat Richard Sigel habe stets schnell und pragmatisch entschieden, etwa als er den Vorkatastrophenalarm ausgerufen und damit für die Helfer Rechtssicherheit hergestellt habe. „Bei Krisen kommt es darauf an, schnell zu entscheiden – das wurde getan“, sagt Heiko Fischer.
Zu Beginn von großen Schadensfällen sei das Ausmaß zunächst unklar. „Wir nennen das Chaosphase, in der man noch nichts Genaues weiß und versuchen muss, die Lage anhand der vorliegenden Informationen zu bewerten“, sagt DRK-Bereitschaftsleiter Heiko Fischer. „Aus Sicht des Bevölkerungsschutzes war uns klar, dass es aufgrund der vielen Anrufe zu vielen Verletzten kommen kann und dass es voraussichtlich zu einer großen Anzahl an zu Betreuenden kommen wird“, erklärt er. „Wir haben daraufhin alle Kräfte alarmiert und damit begonnen, die Strukturen aufzubauen, damit alles funktioniert, sobald die Hilfeleistung möglich ist.“ Unter anderem wurden Einsatzleitwagen und Rettungskräfte zur Rettichkreuzung und nach Miedelsbach beordert, um von dort aus möglichst schnell Hilfe zu leisten, sobald Rudersberg erreicht werden konnte.
Pascal Zelfl war wohl der erste DRK-Helfer, der in Rudersberg ankam. Das war allerdings noch knapp vor der Alarmierung und bevor ihm das Ausmaß bewusst war. „Ich wollte dort eigentlich nach den Wasserschäden in unserem DRK-Heim schauen“, sagt er. Unterwegs erreichte ihn dann der erste Alarm. Durch die Fluten und über Umwege benötigte der 32-Jährige rund eine halbe Stunde für die kurze Strecke von Miedelsbach nach Rudersberg. „Mir sind Gegenstände entgegengeschwommen, das Auto ist immer wieder weggerutscht.“
Probleme mit der Anfahrt hatte nicht nur er. „Von meinen 20 Helfern in der Bereitschaft, konnten nur vier ans DRK-Heim kommen, der Rest kam schon gar nicht mehr nach Rudersberg rein – und einer der vier hat sein Haus absaufen lassen, nur um anderen zu helfen“, sagt Zelfl. „Wir haben dann gleich damit begonnen, Leute in Obhut zu nehmen, die nicht nach Hause konnten und haben sie im DRK-Heim und in Fahrzeugen betreut.“
Im Laufe der Nacht konnten Helfer des DRK und der Malteser ihre Arbeit in Rudersberg, aber auch in den anderen, mittlerweile betroffenen Kommunen aufnehmen, zunächst in Leutenbach, dann in Schorndorf. „Unser Fokus während der Akutphase war: Wo sind Personen in Notlagen, wo gibt es Verletzte, wo Schwerverletzte“, sagt Sven Knödler. Neben der medizinischen Versorgung kümmerte sich das DRK an vier Stationen um die Verpflegung Betroffener sowie der Einsatzküche. „Wir sind in der Lage, in zwei Stunden 200 warme Essen zuzubereiten“, sagt Heiko Fischer.
Auch bei der Evakuierung waren die Helfer gefordert. Es wurden Betreuungsstellen und Notunterkünfte aufgebaut, für Betroffene, die ihre Wohnungen verlassen mussten. Rund 70 Personen wurden in einer Turnhalle in Schorndorf versorgt, rund 30 in einem Bürgerzentrum in Pfahlbronn und etliche mehr. In Winnenden mussten Geflüchtete aus einer Unterkunft evakuiert werden. In Weinstadt wurden ebenfalls Bereiche vorsorglich evakuiert, darunter auch ältere oder bettlägerige Personen. Zusätzliche Kräfte hätten unter anderem auch dafür gesorgt, dass trotz der Hochwasserlage auch die anderen „Regelnotfälle“, wie sie im Rettungsdienst an der Tagesordnung sind, nicht zu kurz kommen.
„Wir sprechen vom größten Einsatz, den das DRK Rems-Murr durchleben musste“, sagt Knödler. Mehr als 200 Kräfte aus Ehrenamt und Hauptamt des DRK und des Malteser-Hilfsdienstes waren in dieser Nacht auf den Beinen und sind es zum Teil nach wie vor. Wir haben mehr als 37 Rettungswagen auf der Straße gehabt, zehn Notarzteinsatzfahrzeuge, fünf Krankentransportwagen, 16 Schnelleinsatztruppen mit jeweils neun ehrenamtlichen Helfern und andere speziell geschulte Fachkräfte wie beispielsweise die Psychosoziale Notfallversorgung. Auch Fahrzeuge und DRK-Kräfte aus den umliegenden Landkreisen kamen herbei, um die Helfer bei ihrer Arbeit zu unterstützen und sie nach dutzenden Stunden im Einsatz zu entlasten.
Sven Knödler betont, dass derartige Katastrophen und sonstige Krisen nur als Gemeinschaft bewältigt werden können. Er ist immer noch begeistert vom unermüdlichen Einsatz der unzähligen Helfer: „Was die Leute hier leisten, ist übermenschlich und phänomenal, sie gehen weit über ihre Grenzen hinaus.“ Noch sei die Arbeit im Krisengebiet allerdings nicht vorbei, auch nicht für das DRK. „Wir bleiben so lange, wie wir benötigt werden“, sagt der Krisenmanager. „Wir lassen die Leute nicht im Regen stehen.“