14.11.2013 Waiblinger Kreiszeitung Der Nase nach: Helden auf vier Pfoten
Kernen. Die Hundestaffel des DRK-Ortsvereins Kernen übt regelmäßig bei Wind und Wetter mit Hund, Herrchen und Frauchen im Wald. Für die Vermisstensuche eingesetzt, spüren die Tiere mit ihrer Nase Opfer auf, die dann vor Ort versorgt werden müssen.
Die Schnüffelschnauze in der Luft, wetzt Border Collie Sam durch den stockdunklen Wald. Das Einzige, was von ihm zu sehen ist, ist das kleine, sich entfernende rote Licht, befestigt an eine auf seinem Rücken geschnallte Kenndecke. Dann hallt in der Ferne sein Bellen. Dem Gehör nach witscht Frauchen Andrea Patzek durchs Gestrüpp hinterher, bis sie schließlich vor ihrem aufgeregten Rüden steht.
Andrea Patzek ist Ausbildungsleiterin der Rettungshundestaffel, ihr Hund Sam hat gerade ein Vermisstenopfer gefunden. Zumindest wäre es in der Realität so. Hier, im Blauen Loch in Kernen-Rommelshausen, ist alles nur eine Übung, das Opfer ein sich versteckendes DRK-Hundestaffel-Mitglied. Für Sam aber ist es real. Zumindest die Belohnung. Herzhaft bedient er sich aus der Leckerli-Dose. „Da muss etwas ganz Besonderes drin sein“, verrät Patzek, „etwas, das es sonst nicht gibt.“ Bei Sam ist das heute Schafsleber.
Die Mitglieder der Hundestaffel trainieren mindestens zweimal pro Woche an verschiedenen Orten im Remstal. Dazu kommen etwa acht bis zwölf Einsätze im Jahr, Prüfungstermine und – je nach Amt – noch weitere Treffen. „Das, was wir hier machen, ist alles ehrenamtlich. Bei dem Aufwand, den wir betreiben, müssen die Familien voll hinter einem stehen“, sagt Gruppenleiterin Heide Wieland. Die 42-Jährige kam über ihren Hund zur Rettungsstaffel.
„Damals haben wir Bobby vom Tierschutz geholt und wollten eine sinnvolle Beschäftigung für uns finden.“ Und dann ging’s mit dem mallorquinischen Mischling ab zur Hundestaffel. Mittlerweile ist Bobby geprüfter Rettungshund. Frauchen und ihr Kamerad dürfen als eines von fünf Hundeteams tatsächlich hinaus in den Einsatz. Die restlichen 17 Gespanne der Staffel befinden sich noch in der zweijährigen Ausbildung oder kurz vor der Prüfung. Diese wird von jeder Gruppe alle anderthalb Jahre wiederholt.
„Jedes Team wird individuell ausgebildet“, sagt Ausbildungsleiterin Patzek. Sie selbst hat eine Hundeschule und möchte mit dem Training vor allem Hunden aus dem Tierschutz eine Perspektive bieten. „Man soll sehen, dass man mit den Tieren etwas schaffen kann. Es ist faszinierend zu sehen, was der eigene Hund leistet, wie er seine Nase einsetzt und was für Fähigkeiten er entwickelt.“
Ständiges Training gehört für Hund und Halter zur Aufgabe. Der Hundeführer ist ausgebildet als Sanitätshelfer, in Erster Hilfe am Hund, Einsatztaktik, Kartenlesen, Verhaltens-, Rassen- und Erziehungslehre von Hunden und vielem mehr. Der Hund muss sich in Koordination üben, lernen, seine Nase gezielt einzusetzen, an den Menschen gewöhnt sein. Ob diese Arbeit etwas für einen ist, kommt eher auf den Halter als das Tier an.
Immer im Vordergrund: Spaß bei der Sache für Hund und Halter
„Es kostet viel Zeit und Disziplin – von beiden“, sagt Patzek. „Es ist eine große Konzentrationsleistung, vor allem für den Hund.“ Und einige Voraussetzungen sollte der Hund in jedem Fall mitbringen: Er müsse dem Menschen zugewandt und wenig stressanfällig sein. Auch zu kleine Hunde hätten bei der Staffel wegen des hohen Energieverbrauchs ihre Probleme. Zu groß aber dürfe das Tier auch nicht sein, schließlich müsse es getragen werden können.
Die Hunde, die sich mit ihren Besitzern hier im Wald versammelt haben, erfüllen alle Kriterien. Dennoch sei die Ausbildung nicht für jeden gleich: „Ein Team wird individuell ausgebildet“, sagt Patzek. „Wir haben Flächensuchhunde und Mantrailer (siehe „Suchhunde“), die Hunde zeigen auf unterschiedliche Art und Weise an, dass sie einen Vermissten gefunden haben.“ Da, so Patzek, gebe es Hunde, die bellen, sobald sie das Opfer finden, manche kommen zurück zum Hundehalter, geben ein Zeichen, dass sie erfolgreich waren, und führen den Halter zum Gesuchten. „Wichtig ist, dass wir die Hunde immer in ihrer Arbeit bestätigen.“ Heißt, im Training gibt es kulinarische Belohnungen, im Ernstfall ist das gefundene Opfer der Lohn. Selbst wenn eine Vermisstensuche einmal nicht erfolgreich war, wird am Ende ein Szenario durchgespielt, bei dem der Vierbeiner positiv bestätigt wird.
Bei einer Suche kann ein Hund eine Fläche absuchen, für die man mindestens acht Menschen bräuchte. Alarmiert werden die Helfer von der Polizei. Ihr Gebiet umfasst den ganzen Rems-Murr-Kreis, manchmal geht es auch darüber hinaus: „Man arbeitet manchmal in Kooperation mit anderen Hundestaffeln zusammen“, sagt Heide Wieland. „Das heißt aber auch, dass wir auch zu Einsätzen außerhalb des Kreises hinzugezogen werden.“
Der Hund, darauf legt Patzek Wert, müsse Spaß bei der Sache haben, dürfe nicht zu etwas gezwungen werden. „Man muss sein Tier respektieren.“ Dessen kann man sich hier aber sicher sein. Und auch, dass es den Hunden gutgeht: „Ich wette“, sagt Patzek, „hier dürfen 90 Prozent der Hunde mit ihrem Halter in einem Bett schlafen.“ „Es sind eben Familienmitglieder“, sagt Heide Wieland lachend.
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Suchhunde
Neben Flächensuchhunden gibt es sogenannte Mantrailer:
Mantrailer, auch Personenspürhunde genannt, suchen gezielt nach dem Geruch einer Person. Die Hunde werden durch einen Geruchsträger wie einem Kleidungsstück auf den Individualgeruch des Vermissten angesetzt.
Flächensuchhunde durchstöbern das Gelände nach menschlicher Witterung.
Foto: Habermann / ZVW /
Text: Nicole Heidrich