26.01.2014 Waiblinger Kreiszeitung Plötzlich musst Du ein Leben retten
Waiblingen und Umgebung von Hans-Joachim Schechinger, Foto ZVW Herr Schlegel Fahrschüler lernen beim Roten Kreuz Kernen lebensrettende Sofortmaßnahmen / Den Notruf nicht vergessen! Kernen-Rommelshausen. Ein Fußgänger wird auf dem Zebrastreifen von einem Auto angefahren, liegt bewusstlos auf der Straße, blutet. Was tun, wenn man als Erster an die Unfallstelle kommt? Wichtig ist: einen Notruf absetzen. Das Unfallopfer anfassen, die Atmung kontrollieren. Fahrschüler übten beim DRK Kernen lebensrettende Sofortmaßnahmen.
Was Vanessa, Tabea, Niko und ihre zwei Mitstreiter im Rommelshausener DRK-Vereinsheim im Rahmen ihrer Führerscheinprüfung übten, sollte eigentlich jeder Verkehrsteilnehmer beherrschen. In acht Unterrichtseinheiten erklärte ihnen der stellvertretende Kernener Bereitschaftsleiter Martin Maier, wie man professionelle Hilfe ruft, das Opfer anfasst und tröstet, Wunden versorgt, lebenswichtige Funktionen wie Atmung und Herzschlag prüft und im Notfall lebensrettende Maßnahmen ergreift.
Was die Teenager aus diesem Pflichtkurs mitnehmen, müssen sie im Notfall, der oft mit Aufregung, Blockaden und Angst einhergeht, nicht Griff für Griff exakt nach Lehrbuch umsetzen können. „Wir sehen das zielorientiert“, sagt Bereitschaftsführer Michael Filippi. „Der Mund muss etwa in der stabilen Seitenlage immer der tiefste Punkt sein, das muss erreicht werden.“
Im Großen und Ganzen könne man nichts falsch machen, beruhigt Filippi. Und Martin Maier, der zunächst das Thema stabile Seitenlage bei Bewusstlosigkeit bespricht, bittet die Kursteilnehmer, die Griffe an Marion Hinderer vom DRK-Nachwuchs zu erproben. Sie stellt sich ohnmächtig. Hand auf die Stirn, zweite Hand aufs Kinn, den Kiefer strecken und Mund öffnen. Atemkontrolle mit dem Ohr: Sie lebt! Jetzt den vorderen Arm anwinkeln, die gegenüberliegende Hand über die Brust ziehen. „Und das Bein hochziehen und den Oberkörper sachte rüberheben. Dann Decke drüber“, leitet Martin Maier seine Schüler an.
Den gedrehten Kopf überstrecken, damit das Blut abfließen kann
Ganz wichtig: Den gedrehten Kopf überstrecken, damit der Mund geöffnet bleibt. So können Erbrochenes und Blut aus dem tief gelegten Mund der Verletzten abfließen, ohne dass der Atemweg blockiert wird. „Und jetzt?“, fragt Martin Maier schlau in die Runde? Die Fahrschüler zucken die Schultern? „Notruf absetzen!“
Bei den Übungen geht es nicht nur um Fertigkeiten, sie sollen auch Angst nehmen. „Wenn’s bei der Herzdruckmassage knackt, weitermachen“, appelliert der Vize-Bereitschaftsführer ganz cool. Wenn’s beim heftigen Drücken auf den Brustkorb eines bewusstlosen Unfallopfers, das nicht atmet, laut knackt, ist nämlich eine Rippe gebrochen. Das darf einen Ersthelfer so wenig aus der Fassung bringen wie Blut, das aus Mund oder der Nase rinnt, während der Patient beatmet werden muss.
Reaktivieren von Atmung und Kreislauf durch Druckmassieren des Herzbereichs, kombiniert mit Beatmung durch die Nase, das dürfen die jungen Leute jetzt an einer Puppe trainieren. 100 Mal pro Minute muss bei der Herzdruckmassage auf das Sternum gepresst werden. Das sind 30 Druckmassagen am Stück, gefolgt von zwei Beatmungen. Die reglose Person ohne Lebenszeichen soll dabei auf einer harten Unterlage ruhen. Andernfalls presst man nur die Unterlage, etwa das Sofapolster. Und der Oberkörper muss entblößt sein.
Das Massieren des harten Brustkorbs strengt enorm an. Die jungen Leute spüren das an dem Plastik-Rumpf unter ihnen, den sie fünf Zentimeter tief in rascher Folge pressen müssen. „Man wiederbelebt, bis Rettungskräfte kommen. Das dauert maximal 15 Minuten, in der Regel geht es schneller“, erklärt derweil der Kursleiter. Wobei die Wirksamkeit der Druckmassage, die das Herz komprimiert, um das Blut am Laufen zu halten, wegen der Kräfte zehrenden Pumparbeit schon nach zwei Minuten erschöpft ist. Man wechselt sich ab, egal ob Ersthelfer oder Rettungsdienstler.
Der Defibrillator leitet den Ersthelfer per Ansage an
Wer sich beim Beatmen eines fremden Menschen vor Blut oder Erbrochenem ekelt, kann dem Verletzten eine Folie mit Luftöffnung aufs Gesicht legen oder eine Beatmungsmaske auf Mund und Nase setzen. Das ist in jedem Fall hygienischer. Die Hilfsmittel kosten aber Geld. Die Mädels und Jungs absolvieren das Training aufmerksam, gewissenhaft. „Was ist bei einer Verletzung am Brustkorb, wenn ich ihn drücke?“, fragt Vanessa. Bei der Reanimation Prioritäten setzen, rät Martin Maier: „Verband drauf, zudecken und weitermachen.“ Auch Steven probiert es und pumpt anfangs zu ungestüm. Maier empfiehlt: „Nicht hektisch drücken, ruhig drücken!“
Natürlich erklärt der Kernener auch Hilfsmittel zur Reanimation wie den Defibrillator. Der darf von jedem Laien eingesetzt werden. Das Gerät, das die manuelle Herzdruckmassage ergänzt, leitet in Betrieb den Ersthelfer schrittweise mit Sprachanweisung an, wie vorzugehen sei: Zwei Elektroden auf den Brustkorb setzen, nach einer Analyse den Knopf drücken.
Drei öffentliche Einrichtungen in Kernen haben den Defibrillator laut Martin Maier schon angeschafft: Der Bädlesverein, der Tennisverein und die Haldenschule.
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Nachsorge
Wer als Ersthelfer am Unfallort in eine psychische Stressituation gerät, wird sie vielleicht mit Hilfe anderer nachbereiten müssen, weil ihm die Eindrücke nicht aus dem Kopf gehen. Schlafstörungen sind aber normale Reaktionen. Darüber mit Freuden oder vertrauten Kollegen reden, ist wichtig. Das DRK bietet eine psychologische Notfallnachsorge unter 112.