01.07.2019 Waiblinger Kreiszeitung Großeinsatz für Rotkreuz-Helfer
Betrunkene und Streit auf der Erleninsel: Was die Sanitäter des DRK Waiblingen an einem Altstadtfest-Abend erleben
Als die Polizei auf der Erleninsel auftaucht, macht sich Erleichterung bei den drei Helfern vom DRK breit. Zwei aggressive Streithälse, der eine kompakt und kräftig, der andere zwei Bierkrüge höher, gehen in Schlagdistanz. „Du und ich“, schreit der Größere. Der Kleine rennt auf ihn zu, wird von drei Landsleuten eingefangen. Seine Freundin brüllt auf ihn ein. Die Polizei nähert sich. Der Spuk hat ein Ende.
Der Einsatz der DRK-Helfer geht weiter. Begonnen hat er schon um 15.30 Uhr. Im Bürgerzentrum sind die Helfer vom DRK dabei, Zentrale, Aufenthaltsraum und Sanitätsraum herzurichten. Medizinische Geräte, Verbandsmaterial, Liegen, Brechbeutel, Infusionsständer, Computer, Papiere und Nervennahrung. Knapp 20 ehrenamtliche DRK-Helfer haben sich hier versammelt, unterstützt von Kräften des Malteser- Hilfsdienstes. Drei mobile Helfertrupps sind im Einsatz, mindestens einer ist immer auf dem Fest unterwegs. Drei Leute von der Einsatzleitung behalten in der Zentrale den Überblick. Der Leiter der Sanitätsstelle und ein Arzt warten auf Patienten. Vier weitere Helfer besetzen zwei Rettungsfahrzeuge. Hatte die erste Patientin eine Verletzung am Fuß, verbunden mit Kreislaufbeschwerden, liegen in den nächsten Stunden überwiegend betrunkene Jugendliche im Sanitätsraum, schlafen ihren Rausch aus, füllen die Brechbeutel oder müssen ins Krankenhaus. Schwerpunkt Erleninsel
20 Uhr. Noch geht es beschaulich zu. Ein Bienenstich, Kreislaufprobleme, sie verteilen Pflaster. Das war es vorerst. Das soll sich schnell ändern.
21.02 Uhr. Die Funkgeräte knacken. Ein Kind hat eine Platzwunde. „Wir schicken jemanden raus“, sagt Heiko Fischer, und ein Fahrzeug macht sich auf den Weg.
21.45 Uhr. Auf der Erleninsel wird das Team um Pia Jungbauer, Jan Kasper und Sven Knödler angehalten. Ein junger Mann humpelt auf sie zu. Schnitt am Knie. Scheinbar auf einen Stein gefallen. Der Arzt schaut sich ein paar Minuten später die Wunde an. Die Sehne ist betroffen. Transport ins Krankenhaus. Die drei Helfer ziehen wieder los. „Da vorn liegt einer“, sagt ein Mann und zeigt mit dem Daumen Richtung Stihl-Pavillon: Neben seinem Erbrochenen quält sich ein Junge, eher unter 18 Jahre. Die Helfer bringen ihn in den Sanitätsraum. Dort angekommen, heißt es: Infusion. Die Eltern werden informiert. In der Zentrale tauchen nun abwechselnd DLRG, Sicherheitsdienst, Begleiter von Betrunkenen, Eltern und THW auf. Und wieder ein Funkspruch. „Männlich, 16 Jahre, alkoholisiert.“ C 2 heißt die rettungsdienstliche Abkürzung für Alkoholmissbrauch. C-2-Intox steht für Alkoholvergiftung.
22.58 Uhr. Die Polizei meldet eine Frau, die nicht mehr ansprechbar ist. Trupp 2 muss raus. Vorm Bürgerzentrum passieren sie den Rettungswagen der Waiblinger Bereitschaft, der gerade gereinigt wird. Auch das gehört dazu. Trupp 2 holt die Frau und trifft nun auf die besagten Streithähne.
23.07 Uhr. Trupp 2 passiert am Marktbrunnen einen Krankenwagen, der mit Blaulicht in der Menge steht. Fahrzeug und Helfer quälen sich durch die Menge. Im Einsatz muss man „rufen und drücken, anders kommst du nicht durch“, sagt Jan Kasper in seiner Art, die eine extreme Ruhe ausstrahlt. „Brutal“ sei das Gedränge an manchen Stellen. Wieder nehmen sie einen Betrunkenen mit. „Der kotzt, der kann nicht mehr“, sagt ein Freund treffend. „Ihr seid tolle Leute“, kommentiert eine Freundin lallend.
23.22 Uhr. Jan füllt seinen Notfallrucksack nach. „Jetzt zieht es langsam an“, meint Heiko Fischer. 20 Minuten später steht das THW in der Zentrale. Ein Mann „benötige Aufsicht“. Kurz vor Mitternacht. Ein Wagen fährt vor. Ein junger Mann wird auf der Trage liegend reingeschoben. Die Stirn glänzt, die Augen sind geschlossen. Die Schuhe sind verschmutzt, Hose, Hemd und Gesicht ebenfalls. C-2-Intox. Ein anderer will sich selbst entlassen. Er sei 18 Jahre alt und wieder nüchtern. „Den sehen wir wieder“, sagt Sven Knödler. Er soll recht behalten. Genau wie Carsten Magunia vor ein paar Stunden: „Auf der Erleninsel passiert immer etwas.“ 00.29 Uhr. Ein sichtlich erschütterter junger Mann spricht Helfertrupp 2 auf der Erleninsel an. Schwellung neben dem linken Auge. Die Nase rot. Sie blutet stark. „Können Sie mal gucken, ob die gebrochen ist?“ Er schildert, wie er Opfer eines aggressiven Mannes wurde, der Streit gesucht hat. Der fühlte sich belästigt und schlug sofort mit einer Bierflasche zu. Trupp 2 führt ihn zur Zentrale. Wenig später trifft ein zweites Opfer ein. Die Polizei wird informiert. Beide wollen Anzeige erstatten. „Es ist brutal, wie die Aggressivität zugenommen hat“, sagt ein erfahrener Helfer. Viele würden ja nicht mal mehr den Wagen ausweichen, sondern im Scheinwerferlicht tanzen und auf die Wagen klopfen.
1.05 Uhr. Beim Gang in Richtung Beinsteiner Tor spricht ein Mann die Helfer an. Angeblich habe ein junger Mann eine Flasche Cognac „geext“ und hatte einen Asthma-Anfall. Er wird versorgt und fängt sich wieder. Später zündet er sich eine Zigarette an. Die Helfer schütteln den Kopf. „Eine halbe Stunde gibt es noch Alkohol“, sagt Pia Jungbauer. Gegen halb 2 passiert dann auch weniger, bis ein junger Mann sich meldet. Auf der Erleninsel werfe jemand mit Flaschen, „das geht gar nicht“. Die Polizei wird informiert.
Gegen 2.30 Uhr wird es merklich ruhiger. Es gab weniger Heimwegschlägereien als befürchtet, freut sich Einsatzleiter Heiko Fischer. Damit das DRK Sanitätsdienste in dieser Größenordnung auch künftig durchführen kann, freut es sich über Neugierige jedes Alters.