06.11.20012 Fellbacher Zeitung Über Stock und Stein und quer durchs dichte Gebüsch
Fellbach Einem Rettungshund zu folgen, erfordert nicht nur Schnelligkeit, sondern auch Trittsicherheit. Von Melanie Bürkle
Zwei Personen werden vermisst. Ein Mann und eine Frau, beide zwischen 20 und 30 Jahre alt, beide seit gestern Abend. Die kühle Nacht haben die Vermissten also wahrscheinlich bereits im Wald verbracht. Wie Ihr Zustand ist kann ich nur vermuten. Sie sollen dunkle Jacken und einer eine rote Hose tragen. Das sind die Infos, die ich als Rettungshundeführer vor meinem Einsatz erhalte.
Ich bin ein wenig aufgeregt, da ich nciht weiß was auf mich zukommt. Eddy, mein Rettungssuchhund, ist ebenfalls nervös und macg nicht mehr still sitzen. Doch nicht, weil er nicht weiß, was auf ihn zukommt, sondern weil er voll Enthusiasmus endlich loslegen will. Eddy hat bereits mit 15 Wochen angefangen, am Rettungshundetraining teilzunehmen. Mehr als 100 Stunden ist der mittlerweile neunjährige Labrador im Jahr im Einsatz. Alle 18 Monate muss er zu einer Prüfung, um zu beweisen, dasser seiner Tätigkeit als Flächensuchhund noch nachgehen kann. Ein Profi also.
Bevor die Suche losgeht, muss ich zunächst einmal die Windrichtung bestimmen. Ich streue ein wenig Babypuder in die Luft... Tja, das kann man nun so oder so deuten. Ich schicke Eddy einfach mal los. Der weiß schon, was er macht. Und tatsächlich, wie von der Tarantel getochen, saust der Rüde in den Wald. Bereits nach kurzer Zeit kommt er mit seinem Bringsel im Maul wieder zurück. Eddy ist ein Bringsler, das heißt, wenn er einen Vermissten gefunden hat, nimmt er den Gegenstand, der an seinem Halsband hängt, ins Maul und rennt zum Hundeführer zurück. Nun ist der, in diesem Fall ich, gefragt. Ich gebe Eddy das Kommando: "Anzeigen!" dann heißt es schnell sein, den Eddy rennt wieder los.
Rettungshundeführer haben einen 20 Kilogramm schweren Ersthelferrucksack auf dem Rücken
Ich komme dem Burschen kaum hinterher, zumal er über die Äste und Baumstämme springt, als wären sie nicht da. Ich torkle hinterher und sehe den Rüden bald nur noch aus der Ferne. Hier ein Stein, dort ein abgebrochener Stamm, ich habe Angst, mir jede Sekunde den Fuß zu brechen. Doch ich habe Glück. Eddy hat ein Einsehen, wartet kurz und rennt weiter. Nur noch wenige Meter, dann sind wir beim ersten Vermissten. Die Rettungssanitäter sind auch gleich da. Eigentlich treffen die meist später ein, doch bei meinem Tempo sind sie sogar troz schwerem Gepäck hinterhergekommen.
Erst als der Patient versorgt ist, geht es wieder zum Ausgangspunkt zurück. Es wird nie vom letzten Fundort aus gesucht. Sondern immer wieder von vorne gestartet. So trotten wir also wieder aus dem Wald hinaus. Wo die zweite vermisste Person sein könnte, weiß der gefundene Herr natürlich nicht. Schade. Doch Eddy macht's nichts aus. Er ist schon wieder heiß auf die nächste Suchrunde und stürmt los.
Dieses mal dauert es etwas länger, bis er mit seinem Bringsel im Maul zurückkehrt. Und dann heißt es wieder flott sein. Eddy rast quer durch die Büsche. Mir schlägt erst ein Ast ins Gesicht, dann bleibe ich mit dem linken Fuß zwischen zwei Stämmen hängen. Eddy rennt wie wild hin und her. Wahrscheinlich denkt er: "Stellt sich die blöd an." Ich bin heilfroh, mich auf dem Weg nicht auch noch verletzt zu haben. Dieser Gefahr sind die Hudneführer allerdings bei jedem Einsatz ausgesetzt. Zumal die Suchaktionen meist bei Dunkelheit erfolgen. Da gilt es dann noch mehr auf jeden Schritt zu achten.
Normalerweise dauert so eine Suche sechs bis acht Stunden. Für Hund und Mensch ist das körperlich sehr anstrengend. Denn schließlich haben die Rettungshundeführer noch einen rund 20 Kilogramm schweren Ersthelferrucksack auf dem Rücken. Ich kann mir nach halbstündiger Suche bereits vorstellen, wie sich das anfühlen mag und bin daher fast genaus glücklich wie Eddy, unsere zweite Verletzte gefunden zu haben.