07.12.2019 Waiblinger Kreiszeitung Der Mann mit dem Mannschaftsgeist
Von unserem Redaktionsmitglied Pia Eckstein Fast 40 Jahre für das Rote Kreuz: Gerhard Lepschy erhält das Ehrenzeichen Bevölkerungsschutz Rems-Murr
Verflixt, der Mann kämpft. Womöglich so arg wie selten in seinem Leben. Dabei hat er schon viele Kämpfe ausgefochten. Den Kampf gegen den Tod, den Kampf gegen Angst, gegen Naturkatastrophen, gegen die Zeit, die Unkontrollierbarkeit, das Chaos. Dafür hat er das Ehrenzeichen Bevölkerungsschutz des Landes Baden-Württemberg überreicht bekommen. Und deshalb soll er jetzt was über sich erzählen. Doch
das klappt nicht. Gerhard Lepschy erzählt immer von anderen. Von jenen zum Beispiel, die beim Hochwasser in Meißen die Feldbetten auf die Laster luden und im Überschwemmungsgebiet wieder runter, die Decken verteilten, Verbände richteten, die Menschen beruhigten. Was hat er in Meißen gemacht? Er war nicht vor Ort.
Aber ihm hat Wilfried Klenk, Staatssekretär im Innenministerium, die Hand geschüttelt, über ihn wurden Worte gesagt, die wirklich guttun, die längst mal gesagt gehören. Warum denn ihm? Er ist der Mann im Hintergrund. Der Mann, ohne den nichts läuft, der für Meißen neben allem anderen auch noch einen Koch organisierte. Denn was soll die längst bereitgestellte Feldküche bringen, wenn niemand drin arbeitet? Er rief im Klinikum Schloss Winnenden an und fragte, überzeugte.
Ganz am En de des Gesprächs bricht’s aus ihm raus, dem Gerhard Lepschy, der, wie er sagt, damals, vor fast 40 Jahren, zum Roten Kreuz kam, weil er als „alter Sportler“, der im Heimatdorf Baach Tischtennis spielte, „mal was anderes machen wollte“. Ja aber was war das denn, das andere? „Wissen Sie“, sagt er nach tiefem Luftholen, „ich habe jetzt vielleicht das Ehrenzeichen bekommen. Aber beim Roten Kreuz arbeitet man nie allein.“ Ohne die Mannschaft, sagt er, wäre alle Müh’ vergebens. Ohne Kameradschaft, ohne all die, die immer „Ja“ und „Okay, ich mach’s“ sagen, könnt’ er strampeln, wie er wollte, es wär’ kein Leben gerettet.
Und so erzählt er von den Helfern vor Ort, die innerhalb einer Minute beim Patienten sein können, die wiederbelebung einleiten, die Angehörigen beruhigen, oftmals Leben retten. Ehrenamtliche mit Notfalltasche seien das, meist viel schneller als der Notarzt und kürzlich hat einer einen Dankesbrief bekommen von einer Ehefrau: Ohne Sie wäre mein Mann gestorben. Und er? Auch nur im Hintergrund? Ja, im Hauptteil. 1999 hat er diesen Dienst eingeführt. Mitstreiter für die Idee hat er gesucht, viele Gespräche hat’s ihn gekostet, Abende der Überzeugungsarbeit. Nein, Pause, er hat das auch schon gemacht. Er macht’s immer noch. Aber er ist ja den ganzen Tag über immer in Stuttgart, also nicht vor Ort. Und? Ja, so vielleicht fünf Einsätze im letzten Jahr. Und was war da? Na ja, Reanimation, Treppensturz, ja, so was halt. Also eines gibt’s, was Gerhard Lepschy definitiv noch üben muss: Angeben
Beim Amoklauf von Winnenden war Gerhard Lepschy auch dabei. „Abschnittsleitung“ heißt das bürokratische Ausdrucksmonster. Als könnte der Mensch – und sei’s ein noch so versierter Lebensretter – die alles überschwemmende Angst in überschaubare Planquadrate einteilen. Und trotzdem: Gerhard Lepschy schaffte es, das Chaos von eintrudelnden Schülern, verängstigten Müttern, Vätern, geschockten Lehrern in klare Bahnen zu lenken. Er sorgte dafür, dass die Kinder sich in Listen eintrugen, denn man musste ja wissen, wer’s in die schützende Halle geschafft hatte. Und wusste im Umkehrschluss auch, wer fehlte. Wessen verzweifelte Eltern jemanden brauchten, der die Not mit ihnen teilte. „Wissen Sie“, sagt Gerhard Lepschy, „man muss den Auftrag abwickeln. Man funktioniert. Die Gedanken, die kommen erst viel später.“
„Herr Lepschy hat sich in seiner 38-jährigen Tätigkeit für das DRK in besonderem Maße für den Bevölkerungsschutz verdient gemacht“, heißt es in der Begründung zur Auszeichnung. Es geht darin weiter um „Verantwortung“, „Erweiterung des Einsatzpotenzials“, „Sicherstellung einer hohen Motivation“ und um „lösungsorientiertes Auftreten“. Trockene Schlagworte. Sagen wir’s lieber so: Gerhard Lepschy hat dem Tod und dem Unglück ganz oft die Rettungswagentür vor der Nase zugebatscht.
Gerhard Lepschy, seit 1981 beim Roten Kreuz, hat schon fast alles gemacht: Er ist Rettungswagen gefahren, kommt als Helfer vor Ort in Minutenschnelle zum Notfall, organisierte sogenannte Schnelleinsatztruppen für Katastrophenfälle, leitete den Einsatz beim Hochwasser in Meißen, unterstützte bei der Weltmeisterschaft 2006 in Stuttgart. Er arbeitete auf allen Ebenen und bekam dafür jetzt das Ehrenzeichen Bevölkerungsschutz überreicht.