19.01.2018 Waiblinger Kreiszeitung online Was tun bei einem Herzstillstand?
Waiblingen, Martin Winterling Waiblingen. Die Angst, mehr Schaden anzurichten, als zu helfen, ist unbegründet. Nur wer nichts macht, macht etwas falsch. „Zögern Sie nicht!“, forderte Dr. Andreas Jeron die rund 40 Zuhörer bei der AOK Waiblingen auf, bei einem Herzinfarkt keine Zeit zu verlieren, sofort den Notruf 112 zu wählen und mit einer Herzdruckmassage zu beginnen: „Drücken, drücken, drücken!“
„Gemeinsam gegen den Herzinfarkt“ nennt sich die Initiative der 18 Kardiologen aus dem Rems-Murr-Kreis, die den Landkreis zu einem Vorbild für ganz Deutschland im Kampf gegen den Herzinfarkt machen wollen. Zum einen wollen die Kardiologen wie Andreas Jeron, Chefarzt der Kardiologie am Rems-Murr-Klinikum in Winnenden, die Bevölkerung über Ursachen von Herz-Kreislauferkrankungen und vor allem die richtige Vorgehensweise bei einem Notfall aufklären. Denn viel zu selten werden Menschen bei einem Herzinfarkt sofort und konsequent reanimiert. Die Folgen sind tödlich.
Zum anderen hat die Initiative „Gemeinsam gegen den Herzinfarkt“ ein Netzwerk aufgebaut, das die zwischen Rems und Murr die lebensrettenden Defibrillatoren erfasst. Im Notfall können die Helfer vor Ort von der Integrierten Leitstelle des DRK schnell zum nächst gelegenen Defi gelotst werden.
Beim Herzinfarkt zählt jede Minute
Dass Aufklärung erfolgreich ist, zeigt das Beispiel Skandinavien. Dort werden Menschen mit einem Herzstillstand dank eines frühzeitigen Unterrichts in Schulen weitaus häufiger reanimiert als in Deutschland, sagte Andreas Jeron den Zuhörern im AOK-Schulungszentrum. Bei Herzinfarkt zählt jede Minute.
Ist der Alarm ausgelöst, läuft die medizinische Maschinerie vom Rettungsdienst bis zum Herzlabor im Winnender Klinikum wie am Schnürchen, sagte Chefarzt Andreas Jeron über die gute Versorgung der 415?000 Einwohner im Kreis. Das bestätigen die Vergleichszahlen, die den Kardiologen vorliegen und den Herzinfarkt-Patienten gute Überlebenschancen versprechen. „Solange aber sich der Patient nicht meldet, können wir nichts machen“, sagt Jeron über die drei Stunden, die es im Durchschnitt dauert. Viel zu lange.
Mehr Zeit bedeutet Leben retten
Verkürzt werden müsse die Zeitspanne zwischen dem Punkt, ab dem ein Patient Symptome verspürt, bis zur Alarmierung des Rettungsdienstes. Viel zu oft zu spät, warnte Jeron die Zuhörer eindringlich vor einem Zögern. „Jede Minute zählt!“ Insbesondere Männer neigen dazu, die typischen Symptome zu verkennen oder leichtfertig abzutun. Oft genug seien es ihre Ehefrauen, die trotzdem den Notruf 112 wählen, während ihre Männer lieber ein Fußballspiel im Fernsehen zu Ende gucken würden.
Sind Frauen selbst von einem Herzinfarkt betroffen, taucht das Problem auf, dass die Symptome bei ihnen für einen Herzinfarkt oft nicht typisch sind. Drei von zehn Frauen fühlen eben nicht den drückenden Brustschmerz, „als ob sich ein Elefant auf den Brustkorb setzt“, wie Andreas Jeron den Schmerz beschreibt. Der strahlt in Schulter, Arme, Rücken bis in den Unterkiefer aus. Vielmehr leiden Frauen unspezifisch an Schweißausbrüchen oder Übelkeit bis zum Brechreiz. „Deswegen rufen Frauen zu spät den Notarzt und kommen viel später zu uns ins Krankenhaus.“
Das sind typische Symptome für einen Herzinfarkt:
Die Diagnose Herzinfarkt ist für Rettungssanitäter und den Notarzt keine Schwierigkeit und erfolgt zunächst über ein EKG und die Blutwerte. Die Alarmzeichen für einen Herzinfarkt und Gründe, über 112 den Notarzt zu rufen sind:
- Schwere, länger als fünf Minuten anhaltende Schmerzen im Brustbereich;
- Starkes Engegefühl, heftiger Druck. Brenen im Brustkorb;
- Ausstrahlung in die Arme, Schulterblätter, Hals, Kiefer oder Oberbauch;
- plötzliche Atemnot begleitet von Übelkeit, Brechreiz und Angst, blasse Gesichtsfarbe, kalter Schweiß;
- Aufwachen in der Nacht mit Schmerzen im Brustkorb; auch eine plötzliche Bewusstlosigkeit kann ein Hinweis sein.
Was ist passiert? Bei einem Herzinfarkt hat sich ein Herzkranzgefäß verengt oder verschlossen. Dass sich Ablagerungen bilden, sei altersbedingt und nicht zu verhindern, könne aber durch eine richtige Lebens- und Essweise verzögert werden, sagte Jeron. Vor allem durch den Verzicht aufs Rauchen! Wenn eine Ablagerung reißt und das Gefäß verschließt, kommt zu wenig Blut und somit zu wenig Sauerstoff an die Herzmuskeln. Innerhalb weniger Minuten stirbt das Muskelgewebe ab. „Wenn die Benzinleitung verstopft ist, läuft der Motor nicht!“, verglich Jeron den Mensch mit einem Auto. Aufgrund der lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen stirbt jeder dritte Mensch mit Herzinfarkt, bevor er die rettende Klinik erreicht.
Je früher behandelt wird, desto größer sind die Chancen
In einem Krankenhaus wie dem Rems-Murr-Klinikum bieten sich Behandlungsmöglichkeiten, um die Herzkranzgefäße zu erweitern oder zu öffnen. Je früher behandelt wird, desto größer sind die Chancen, zu überleben und vor allem ohne an Folgeschäden zu leiden. Unter örtlicher Betäubung wird durch eine Arterie in der Leiste oder des Handgelenks ein dünner, biegsamer Kunststoffschlauch zum Herzen des Patienten vorgeschoben, das Gefäß gedehnt oder ein sogenannter Stent in das Blutgefäß implantiert. Jerons abschließender Appell lautete: Jeder Teilnehmer soll sein Wissen fünf Freunden, Bekannten oder Kollegen weitergeben. Die Grundregel bei Atemstillstand lautet: „Nicht beatmen und drücken, drücken, drücken!“ Ohne Pause und so lange, bis der Rettungsdienst kommt.
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Die Initiative „Gemeinsam gegen Herzinfarkt“ gibt folgende Tipps, wie bei einem Herzinfarkt geholfen werden kann.
Prüfen: Sprechen Sie die Person an: „Hören Sie mich?“ Schütteln Sie die Person an den Schultern: Keine Reaktion? Achtung Sie auf die Atmung. Keine normale Atmung?
Rufen Sie 112 an! Oder veranlassen Sie eine andere Person zum Notruf.
Drücken: Beginnen Sie sofort mit der Herzdruckmassage! Machen Sie den Brustkorb frei. Legen Sie die Handfläche auf die Mitte der Brust, die zweite Hand auf die erste Hand. Halten Sie die Arme gerade und geben Sie senkrecht mit den Schultern über den Druckpunkt. Drücken Sie das Brustbein fünf bis sechs Zentimeter nach unten, 100 bis 120 Mal pro Minute. Machen Sie keine Pausen, bis Hilfe eintrifft! Führen Sie keine Beatmung durch!
Sinnvoll ist der Einsatz eines Defibrillators, der durch gezielte Stromstöße das Herz wieder zum Schlagen bringt. Wie die beiden Rettungssanitäter Markus Frey und Sina Löhle im AOK-Kundenzentrum demonstrierten, ist die Anwendung eines Defis dank der Sprachführung kein Hexenwerk – und ungefährlich!
Nur bei 0,5 Prozent der Herzinfarkte mit Herzstillstand kommt ein Defi zum Einsatz und bei weniger als 20 Prozent erfolgte eine Wiederbelebung, sagte der Kardiologe Dr. Andreas Jeron über die Gefahr, einen Herzinfarkt zu überleben: Nur vier von zehn Patienten erreichen überhaupt das Krankenhaus. Rund 70 Prozent dieser Herzinfarkte waren im häuslichen Umfeld geschehen und 40 Prozent der Betroffenen war jünger als 65 Jahre.