23.01.2019 Fellbacher Zeitung Eine ganze Gemeinde wird aktiv gegen den Herzinfarkt
Prävention Kardiologen klären über die Todesursache Nummer Eins auf, und wie man ihr entgegen treten kann. Von Frank Rodenhausen
Mit rund 50?000 Sterbefällen im Jahr zählt der Herzinfarkt zu den häufigsten Todesursachen in Deutschland. Fast jeder vierte Herzinfarktpatient stirbt, bevor er ein Krankenhaus erreicht. Das müsse nicht sein, sagen Experten, denn würden die Symptome schnell erkannt und sofort richtig erstbehandelt, stiege auch die Überlebensrate bei Infarktpatienten dramatisch an.
17 Kardiologen, niedergelassene und Krankenhausärzte, haben vor anderthalb Jahren deshalb den Verein „Gemeinsam gegen den Herzinfarkt“ gegründet. Ihr Ziel: die Aufklärung über die Symptome des Herzinfarkts und entsprechendes Handeln voranzutreiben. Mehr als 50 Veranstaltungen hat der Verein seither bereits gestemmt, in denen Firmen, Vereine, Ämter oder andere Gruppierungen und Organisationen von Spezialisten geschult und unter anderem der richtige Umgang mit einem Defibrillator erklärt und geübt wurde.
Zur Halbzeit des zunächst auf drei Jahre befristeten, wissenschaftlich begleiteten aber ehrenamtlichen Projekts ist in Urbach am Sonntag eine ganz besondere Veranstaltung über die Bühne gegangen. Nicht nur, weil dort der baden-württembergische Gesundheitsminister Manfred Lucha die Initiative als ein „Leuchtturmprojekt“ lobte, dessen landesweite Nachahmung jetzt geprüft werden sollte. Unter dem Motto „Urbach schockt“ hatte sich erstmals eine komplette Gemeinde mit ihren Vereinen, Firmen, Kirchen und Bürgern an der Aufklärungskampagne beteiligt. „Wir alle, ganz Urbach, werden aktiv gegen den Herzinfarkt“, betonte die Bürgermeisterin Martina Fehrlen.
Thomas Eul, Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Notfallmedizin am Rems-Murr-Klinikum in Winnenden, ist der Initiator und Erste Vorsitzende des Vereins. Er machte in der bis auf den letzten Platz besetzten Auerbachhalle deutlich, wie wichtig bei einem Herzinfarkt schnelle Hilfe – und zwar noch vor dem Eintreffen des Notarztes – sei: „Die Zeit entscheidet über die Prognose, welche Auswirkungen ein Infarkt hat.“ Entscheidend für den weiteren Verlauf könne bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand die Wiederbelebung sein. Jutta Franz, leitende Notärztin am Rems-Murr-Klinikum, erläuterte zwar, dass im Rems-Murr-Kreis statistisch gesehen ein Notarzt nach vergleichsweise schnellen acht Minuten am Unfallort eintreffe – „er kommt in solchen Fällen aber unter Umständen zu spät“. Jede Minute, die bis zu einer Reanimation verstreiche, senke die Überlebenswahrscheinlichkeit um zehn Prozent. Schon ab drei Minuten ohne Sauerstoff könnten im Gehirn irreversible Schäden angerichtet werden. Andreas Jeron, der Chefarzt der Kardiologie, stellte klar, dass es oft genüge, den Kreislauf des Patienten in Schwung zu halten: „Im Blut ist genug Sauerstoff, um das Gehirn sieben bis acht Minuten zu versorgen."
Die Bemühungen der Kardiologen, dass sich das auch nicht entsprechend professionell ausgebildete Ersthelfer zutrauen, scheinen zu fruchten. Lag die Reanimationsquote durch Laien im Landesschnitt im Jahr 2016 im Rems-Murr-Kreis noch auf Landesniveau bei 27 Prozent, ist sie laut Thomas Eul in den letzten beiden Quartalen 2018 auf 45 Prozent gesteigert worden. Doch das ist ihm noch nicht genug. „2020 wollen wir bei 70 Prozent sein."
// Weitere Infos über die Initiative unter www.kardioverein.de